Aus dem Gemeinschaftsleben

Die vielen Kriege und Naturkatastrophen, die im Laufe der Jahre auf das Volk zukamen, brachte die Dorfbewohner immer mehr in die Lage, auf die Nachbarschaftshilfe angewiesen zu sein. So entstanden im Gemeinschaftsleben die Nachbarschaften, welche bis zur Aussiedlung die dörfliche Lebensordnung prägten.

Die Gemeindemitglieder von Groß-Alisch verfassten 1669 die ersten Nachbarschaftsartikel, die 1750 in verbesserter Form neu aufgelegt wurden. Die Gemeinde wurde schon 1812 in vier Nachbarschaften gegliedert: Roder-, Marienburger-, Nieder- und Mittelgasse und ist bei dieser Form bis zur Aussiedlung 1991 geblieben. Die "Nachbarschaftslade" mit der Nachbarschaftssatzung und dem Nachbarzeichen, durch das von Haus zu Haus Nachrichten und Einladungen zu Arbeitseinsätzen übermittelt wurden, waren die Identifikationssymbole der Nachbarschaft. Jährlich, an dem Wochenende vor Aschermittwoch, wurde der Richttag abgehalten, der am ersten Tag mit einem Frühgottesdienst eingeleitet wurde und mit einem Rechenschaftsbericht über die geleisteten und nicht geleisteten Nachbarschaftsverpflichtungen der Nachbarn im abgelaufenen Kirchenjahr, sowie Zugänge von neuen Mitgliedern und altersbedingten Mitgliederausscheidungen und Neuwahlen endete.

Rodergässer Nachbarschaftstruhe  (im Besitz der HOG Groß-Alisch)

Bei diesem offiziellen Teil waren nur die Männer anwesend. Anschließend begaben sich alle in das Haus des jeweiligen Nachbarvaters zu einem geselligen Beisammensein, wo sie gemeinsam mit ihren Ehefrauen, bei deftiger " Tokana" und einem guten Kokeltaler Nachbarschaftswein bis in die späte Nacht feierten. Ab dem Jahre 1970 schlossen sich alle vier Nachbarschaften des Dorfes zum gemütlichen Teil im Gemeindesaal zusammen, bis im Jahre 1990 die Aussiedlung begann. Mit den noch nicht ausgesiedelten Nachbarschaftsmitgliedern, die aber z.T. ihre Koffer schon gepackt hatten, wurde dann noch 1991 im Hause von Franz Paul, Haus-Nr.126, ein mit Abschiedsschmerz verbundener Richttag gefeiert.

Zu erwähnen sind hier auch die Bruder- und Schwesternschaften, denen die Jugend angehörte, die auch der Kirche unterstellt waren und sich einer strengen Verhaltensordnung in der Gemeinschaft fügen mussten. Ein festliches Symbol der Bruderschaft war eine seidenbestickte Fahne, die in der Kirche auf der Jugendempore ("Kniechtenglater") ausgehängt war.

                             

       

         Bruder- und Schwesternschaftsfahnen 1772-1945

Anlässlich einer Reise nach Groß-Alisch, hat Alfred Schuster die im Bild gezeigten drei Fahnen nach Nürnberg gebracht. Die älteste stammt aus dem Jahr 1772 und wurde 1817 durch eine zweite ersetzt. Die Aufschriften und Ornamente dieser zwei Fahnen sind mit Ölfarbe auf Leinwand gemalt. Die letzte Fahne schmückte die Empore von 1908 bis Ende des zweiten Weltkrieges, als das Weiterbestehen der Bruderschaft und der Aushang der Fahne verboten wurde. Die Ornamente und die Jahreszahl der jüngsten Fahne sind auf rotem Hintergrund angebracht, während die Kehrseite auf blauer Seide eine goldgelbgestickte Inschrift "Ev. Bruderschaft Gross-Alisch" trägt. Durch die lange Aufbewahrungszeit ist die mit der Inschrift bestickte Seide verschlissen. Die Fahne wurde gereinigt und neu bestickt und wird uns auch in Zukunft bei den Heimattreffen und allen feierlichen Anlässen der Heimatortsgemeinschaft als symbolischer Ersatz für unsere traditionsreiche Vergangenheit begleiten.

 

(Quelle: Familienbuch von Alfred Schuster)

 

© Albert Schuster, 2002

 

 

Peter-und-Paulstag 

Jedes Jahr am 29 Juni feierte das ganze Dorf das "Kronenfest", den Peter-und-Paulstag. Die Vorbereitungen begannen schon in der Woche davor. Als erstes gingen die Schulkinder und Jugendlichen aufs Feld, um Feldblumen, hauptsächlich Margeriten,  und Eichenlaub zu holen. Diese wurden dann zu schönen Sträußen gebunden und an den drei Reifen der Krone befestigt. Die auf diese Weise geschmückte "Krone" wurde am "Kronenbaum", einem Baumstamm, der das Jahr über im Pfarrhof aufbewahrt wurde, befestigt. Die Mitglieder der Burschenschaft ("Kniecht") gruben dann in unmittelbarer Nähe des Kirchturms eine Grube, wo sie den Baumstamm samt Krone einsetzten. 

Vor dem Aufstellen des Kronenbaums wurde in die geschmückte "Krone" eine Tasche mit Süßigkeiten und einer Flasche Wein angebracht.  

Am Peter-und-Paulstag nach dem Gottesdienst (in der letzten Zeit am ersten Sonntag danach) sammelten sich die Kindergartenkinder, die Jugendlichen und die Blaskapelle ("Adjuvanten"), alle in der sächsischen Tracht,  im Schulhof, um gemeinsam zum Festplatz zu gehen.

    

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Hier warteten schon alle auf die Darbietungen der Kindergarten- und Schulkinder und der Jugendlichen. Die einstudierten Volkstänze erfreuten sich immer großer Beliebtheit.

       

Nach den Darbietungen der Kinder und Jugendlichen folgte das Erklimmen des Kronenmastes: die mutigsten und kräftigsten Burschen versuchten den Kronenmast zu erklimmen. Sieger war derjenige, der als erster die "Krone" erreichte. Hier musste er eine kleine Ansprache halten und durfte danach die Tasche mit den Süßigkeiten entleeren, sehr zur Freude der fieberhaft wartenden Kindergarten- und Schulkinder. Die, in der Tasche gefundene, Flasche Wein war der wohlverdiente Lohn für den siegreichen Burschen.

Zu den Klängen der Blaskapelle wurde dann bis abends gemeinsam gesungen und getanzt. Bei Anbruch der Dunkelheit wurde dann die Feier in den nahe gelegenen Gemeindesaal verlegt, wo nicht selten bis in die frühen Morgenstunden weitergefeiert wurde.

(Fotos: H. Wulkesch u. Astrid Rohrmeier, geb. Kuttesch)   

 © R. Menning, Feb. 2002

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©  R. Menning 2002