Persönlichkeiten im Dienste der Menschen in Groß-Alisch

 

Wir werden in den nächsten Ausgaben der "Groß-Alischer Nachrichten" über Menschen berichten, die durch ihre Arbeit unserer Heimatgemeinde gedient und es zu Ansehen gebracht haben, und die würdig sind, ihnen Dank und Respekt als Nachruf zu erweisen. 

Georg Albert Schaser

1901 - 1989

Der gebürtige Schässburger Georg Albert Schaser war Pfarrer unserer Kirchengemeinde von 1942 - 1960. Viele Alischer werden ihn noch in guter Erinnerung haben, und die später Geborenen ihn aus Erzählungen kennen.

In der 3. Ausgabe unserer Nachrichten veröffentlichten wir einen Abschnitt aus seinen Memoiren, in dem er die Themen Rekrutierung und Deportation der Groß - Alischer Sachsen beleuchtete. Mit Sorge betrachtet er Gegenwart und Zukunft seiner Familie und seiner Kirchengemeinde. Als Vater und Seelsorger war er deren Rückgrat

Ich will einiges aus seinem Leben in Erinnerung rufen, Ereignisse und Bilder, die mich besonders beeindruckt haben, und die einzigartig zu nennen sind.

Pfarrer Schaser war eine Persönlichkeit durch sein Auftreten, sein Denken und sein Handeln. Er war ein Mensch voller Güte. Seine Sanftmütigkeit konnte auch in Strenge umschlagen, wenn er herausgefordert wurde. Wir bekamen es in dem Religions- und Konfirmandenunterricht oder bei  den Proben für das Krippenspiel zu spüren. Seinen tiefen Glauben an Gott konnte er uns Kindern durch spannende Erzählungen vermitteln. Zum Abschluss des Konfirmandenunterrichtes gab es eine sehr ernstzunehmende Prüfung, in Anwesenheit der Eltern, auf die er großes Gewicht legte.

Die Anfangszeit seines Wirkens in Groß-Alisch war geprägt durch Not, Kummer und Verzweiflung. Sein geschätzter Rat, für viele Familien, die in Bedrängnis geraten waren, war von großer Bedeutung. Die Kirche bedeutete Zuflucht für Gestrandete. Der Krieg tobte, und die Menschen waren verunsichert. Mit einer traurigen Nachricht über Gefallene oder Kriegsverwundete wählte man den ersten Gang ins Pfarrhaus, erhielt tröstenden Rat und Kraft in gemeinsamem Gebet.

Mancher Brief und manche Bittschrift an die Behörden wurden an seinem Schreibtisch verfasst. Das Vertrauen in die Pfarrerfamilie war sehr groß.

Am 8. September 1944 trieb ein Bataillon der rumänischen Armee alle auffindbaren Sachsen im Dorf zusammen, um sie zu erschießen. Es waren meist Frauen, Kinder, alte Leute. Es sollte auf diese Weise die Verschleppung eines orthodoxen Pfarrers durch die Wehrmacht gerächt werden.

Pfarrer Schaser wurde auch abgeholt. Er sah die Not und die Angst der Menschen und sprach den rumänischen Offizier an, bat ihn, die Leute doch nach Hause zu schicken. Wenn Rache sein müsste, solle er doch für den verschleppten orthodoxen Pfarrer einen evangelischen Pfarrer mitnehmen.

Es wurde erzählt, dass er nicht kämpferisch auftrat. Freundlich aber entschieden sprach er mit dem Mann, und der schien beeindruckt von seinem Auftreten. Vielleicht spielte aber auch etwas anderes eine Rolle. Augenzeugen erinnern sich, dass seine ganze Erscheinung kontrastierte zu dem großen Durcheinander, zu der gefahrvollen Kriegsatmosphäre. Die Rumänen wurden ruhiger, es schien so, als überkäme sie Verunsicherung in dem Gefühl ihrer Racheberechtigung - auch Furcht. Die Exekutionsdrohungen verebbten.

Zusammen mit andern sechs Männern wurde Pfarrer Schaser abgeführt. Zunächst erleichtert, löste sich die Menge auf. Man ging nach Hause. Doch noch bevor man sich von dem großen Schreck erholen konnte, begann die bange Sorge um die abgeführten Männer. Gewiss haben viele an den nächsten Tagen in Groß-Alisch von ganzem Herzen gehofft und gebetet, dass die Männer behütet bleiben. Ihre Gebete wurden erhört. Nach zwei schweren Tagen der Sorge und Ungewissheit waren alle wieder bei ihren Familien.

Für die Groß - Alischer blieb die Bereitschaft ihres Pfarrers, sich für die Menschen zu opfern, unvergesslich. Sie hätten ihn gerne für immer in Alisch behalten. Vor allem brauchten sie ihn nach dem Krieg mehr denn je zuvor.

Bis zur Schulreform leitete er in schwerer Notzeit die evangelische Schule, hielt den Religionsunterricht, versuchte den großen Lehrermangel abzumildern. Die kommunistische Regierung enteignete beinahe den gesamten kirchlichen Besitz. Ins Pfarrhaus zog noch eine Familie ein, die Staatsfarm beschlagnahmte den Weinkeller und richtete ein Büro im Pfarrhaus ein. Die Repressalien seitens der rumänischen Kommunisten häuften sich.

Die Stellung des evangelischen Pfarrers war besonders schwierig. Die Orthodoxen hatten keinen Religions- und Konfirmandenunterricht. Darum fiel es der Obrigkeit besonders auf, dass die evangelischen Kinder regelmäßig Religionsunterricht hatten, dass alle konfirmiert wurden, dass mit der Jugend kirchlicherseits auch gearbeitet wurde. Da die Evangelischen Deutsche waren, vermutete man bei allen kirchlichen Veranstaltungen, vor allem bei denen, die sich von den Orthodoxen unterschieden, dass es um nationale Umtriebe ginge. Es wurden kirchlichen Veranstaltungen konspirative Gruppenbildungen angedichtet und als solche genauestens beobachtet bespitzelt und verfolgt.

Durch sein Vertrauen auf Gott bewies Pfarrer Schaser Standfestigkeit, und auch dafür haben wir ihn geliebt. So manche Familie nahm sich an seinem Verhalten und dem seiner Familie ein Beispiel.

Da die Sachsen nach dem Krieg durch radikale Enteignung alles verloren hatten, ermunterte er die jungen Leute, auf Bildung und Berufsausbildung zu setzen, wurde aber nicht müde, für die Beheimatung der Jugend in der Gemeinde fleißig zu arbeiten. Der Theologe, welcher in seiner Jugend einmal Landwirtschaft studiert hatte, um den landwirtschaftlichen Besitz seiner Familie bestellen zu können, arbeitete nun mit aller Kraft in seiner Kirchengemeinde. Die Jugendlichen wurden an den Sonntag Nachmittagen in die Kirche eingeladen, damit ihre Gemeinschaft in diesem Rahmen gestärkt würde, obwohl die Bruder - und Schwesternschaften aufgelöst worden waren.

In einer Zeit materieller Armut und seelischer Nöte, konnte er trösten, weil er die Leiden in der Gemeinde teilte.

Die Unterrichtsräume waren enteignet worden, das Pfarrhaus stand der Pfarrfamilie nur zu einem kleinen Teil zur Verfügung. Trotzdem stellte Familie Schaser jeden Samstag Nachmittag ihre Küche zur Verfügung, damit alle Schulklassen hintereinander zum Religionsunterricht kommen konnten. Am Abend kamen dann die Mütter, um die Küche zu scheuern. Es wird Frau Pfarrer Schaser sicher oft schwer gefallen sein, auf ihre Küche gerade am Samstag zu verzichten. Unterricht war vom Staat her nur am Samstag erlaubt. Sie war eine tatkräftige Frau, die sich nicht nur für ihre Familie, sondern auch für die Gemeinde mit Rat und Tat energisch einsetzte.

Da auch der Pfarrgrund, eine wichtige Einnahmeqelle des Pfarrers, enteignet worden war, musste die Pfarrfamilie erfinderisch sein. Frau Pfarrer Schaser, in Hermannstadt aufgewachsen, als Sekretärin ausgebildet, lernte in Groß - Alisch so mancherlei.

Pfarrer Schaser und seine Familie haben in schwerer Zeit viel dazu beigetragen, dass das geistliche Leben und die Gemeinschaft in der Gemeinde lebendig blieben. Die Kirche bot uns, verzagten Menschen den Schutz, den wir draußen so sehr vermissten.

Das Gefühl der Geborgenheit spüre ich auch heute, nach so vielen Jahren, wenn ich den Burghof und die Kirche betrete.

Nach 18 Jahren in Groß - Alisch wechselte Pfarrer Schaser (1960) ins Schässburger Stadtpfarramt, wo er bis 1973 diente.

Sechzehn Jahre lang leitete er den Schässburger Kirchenbezirk als Dechant.

Die Verabschiedung von seinen Groß-Alischern war gekennzeichnet durch große Trauer. Man hatte sich gedanklich mit den Pfarrersleuten für immer eingerichtet. Die schweren Nachkriegszeiten hatten zu einer Solidarität mit der Gemeinde geführt, die unvergessen, über seinen Tod hinaus, durch seine Kinder bis heute geblieben ist.

Sein Leben und Wirken hat uns gut getan, und wir empfinden es als eine Ehre, diesen wunderbaren Menschen in seinem Dienst für uns erlebt zu haben. Sein Wirken soll nicht der Vergessenheit anheim fallen, darum werden wir zu seinem Gedenken das Gäste und Begegnungshaus in Groß - Alisch "Georg Albert Schaser " nennen.

 

"In der Erinnerung wandelt sich Vergangenes in Kommendes, in der Erinnerung wirkt der Schöpfer Geist, und wer vergisst, gibt den Geist auf. (Joh. 14)

 

Wilhelm Paul, 2007

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